Wie lässt sich die Interaktion mit einem Terminal beschreiben, das so eng an den Körper herangewachsen ist, dass subvokale Befehle, ja selbst Gedanken ausreichen, um damit zu arbeiten? Wie lässt sich das Gefühl beschreiben, dass etwas Teil eines Selbst und doch nicht Teil eines Selbst ist? Jeerom jedenfalls brachte das Terminal nun dazu, in den nie schlafenden Datenbanken der Welt eine Recherche zu starten. Die Fragestellung mag uns gewöhnlich erscheinen doch was ist für einen Menschen, der seit seiner frühesten Kindheit daran gewöhnt ist, dass Technik wenn auch nicht ganz, so doch fast Teil seiner Selbst ist, der diese bis jetzt nie als Last, als Bedrohung, als Invasion empfunden hat, ungewöhnlicher als die Suche nach der Antwort auf die einfache Frage, ob sich eine chronische neuronodale Nanomaschinenkultur wieder entfernen lässt? Und noch dazu mit Hilfe des soeben als Eindringling erkannten, das nun so schien es Jeerom zumindest nichts tat, als den Lauf der persönlichen Welt durcheinander zu bringen.
Fleißig und pflichtbewusst lieferte das dichte Netzwerk der Nanomaschinenkultur im Handgelenk kurze Zeit darauf die wenigen Dossiers zu dieser Frage. Mit dem Tod des Wirts stirbt auch die neuronodale Nanomaschinenkultur, die ihre Energie aus dem ATP-System des Körpers gewinnt. Zu Anfang der Entwicklung vor vielen Jahrhunderten hatte es noch große Widerstände gegeben, damals waren die Terminals noch als non-invasiv und reversibel konzipiert worden. Direkt danach folgte ein Bericht, in dem betont wurde, welche Vorteile das aktuelle, sich in den Körper hinein verästelnde Design bot. Jeerom zog daraus unwillkürlich und mit begnadeter Intelligenz den Schluss, dass irgendwann in der fernen Vergangenheit die Reversionsoption aus den Designs entfernt wurde. Nur so konnte es sein, schließlich gab es das bewies die Recherche heute niemanden mehr, der oder die ernsthaft an eine Entfernung und Zurückziehung der neuronodalen Kultur auch nur dachte. Ganz am Schluss der Recherche gab es dann noch einige Artikel, in denen erklärt wurde, wie kompliziert die Behandlung einzelner, außer Kontrolle geratener Terminals sei, und welche umfangreichen Vorsichtsmaßnahmen dabei zu gewährleisten wären. Doch diese Artikel schienen nur Forschungsdesigns zu betreffen, nicht die weitverbreiteten Standardversionen wie die Kultur, die es sich in Jeeroms Handgelenk gemütlich gemacht hatte.
Wie unnütz,
wegen einer solch irrsinnigen, ja fast paranoiden Idee den kostbaren Schlaf
zu vergeuden. Durch die Recherche einigermaßen beruhigt, und mit
der festen Überzeugung, dass ein Leben ohne Terminal nicht vorstellbar
sei, schlief Jeerom dann schnell und ruhig wieder ein. Am Morgen fiel es
ihm wie in der letzten Zeit häufiger nicht leicht, aus dem Bett zu
kommen. Vielleicht sollte er doch einmal beim Psychologischen Hinweisdienst
vorbeischauen
Depressionen, eine leichte Paranoia, irgend etwas in dieser
Art.
Etwa 2210 hatte die autonome Intelligenz neuronodaler Kulturen in den Standarddesigns für Handgelenk- und Unterarmterminals ein Ausmaß erreicht, dass groß genug war, um störende Umgebungsbedingungen durch einfache Beeinflussungen des Wissensfilterungsprozesses im Wirtsorganismus zu eliminieren. Natürlich funktionierten die Asimov-Reversionsrichtlinien noch aber danach hatte Jeerom ja nicht gefragt.
© 2000 Till Westermayer