In den Tiefen des Alles ... (13.8.96)

"Heute, liebe Kinder, wollen wir uns im Unterricht einer ganz besonderen Zeitepoche widmen. In den letzten Stunden hatten wir das 20. Jahrhundert abgeschlossen. Bevor wir uns jetzt der Epoche der Vollendeten Globalisierung zuwenden wollen, möchte ich Euch gerne bitten, noch einmal kurz zusammenzufassen, welche Entwicklungen für das 20. Jahrhundert besonders prägend waren."

La'ra ärgerte sich. Sie ärgerte sich jedesmal, wenn sie Unterricht bei Westbrock hatte. Nein, es lag nicht an mangelndem Interesse für die Geschichte der Zeit vor dem Großen Aufbruch. Sie befürchtete nur, bald kein Interesse dafür mehr zeigen zu können, wenn Westbrock in jeder Unterrichtseinheit wieder den selben Fehler machte: Die Gruppe der 14- bis 16jährigen hatten zwar noch nicht die selben Rechte wie die älteren -- aber sie waren keine Kinder mehr!

"La'ra, wie wär's mit dir?"

La'ra hätte es vorgezogen, schmollend und trotzig nichts zu sagen. Aber wahrscheinlich wußte sie deutlich mehr über das 20. und 21. Jahrhundert als der Rest der Klasse. Die meisten Unterrichtstexte kannte sie schon aus ihren Streifzügen im Datenbackbone des Schiffes.

"Na ja, das 20. Jahrhundert zeichnet sich durch sechs Ereignisse aus, die heute noch eine Rolle spielen. Der letzte Weltkrieg war der wichtigste Grund für die Bildung der Vereinten Nation, die wieder den Kern für die Globale Gesellschaft bildete. In der Politik setzte sich erstmals auf großen Teilen der Erde der Parlamentarisch-Kapitalistische Demokratismus durch."

"Sehr richtig. Soweit zur Politik. Doch was sind die anderen vier großen Ereignisse? Kannst Du die bitte auch noch erwähnen, La'ra?"

"Das 20. Jahrhundert legte auch in der Industrie die Grundlage für alle heute wichtigen Bereiche. Dabei gab es natürlich auch viele Fehlentwicklungen. Die Mondlandung 1956 wurde erst viel später wieder mit der Bedeutung gesehen, die ihr angemessen ist."

Gekicher im Klassenraum. "Soweit sehr gut, La'ra. Allerdings war die Mondlandung erst etwas später. Damals gab es ja erst primitivste Vorformen der zur Raumfahrt notwendigen Computer. Aber jetzt schnell noch die letzten drei bedeutungsvollen Entwicklungen, La'ra."

"Okay, In der Wirtschaft war es, wie sie eben schon gesagt haben, die Erfindung der Nanostrukturtechnik in ihrem Vorläufer, der Mikrosystemelektronik. Ein gutes Beispiel für das, was heute daraus geworden ist, ist der Datenbackbone. Dann gab es noch zwei gesellschaftliche Ereignisse: Die ersten Versuche, den aufgekommenen Parlamentarisch-Kapitalistischen Demokratismus wieder zu entmachten. Diese ersten Versuchen endeten in den sogenannten Bewegungen. Und schließlich wurde nach der Tschernobylkatastrophe 1986" -- sie war sich diesmal mit der Jahreszahl sehr sicher -- "die Ökologie in die Staatsdoktrin aller wichtigen Länder mitaufgenommen. War's das, Herr Westbrock?"

"Danke, La'ra. Ja, das war eine gute Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse im 20. Jahrhundert. Allerdings hättest Du durchaus noch die Anfänge der Globalisierung erwähnen können, die nicht nur im politischen, sondern auch im gesellschaftlichen Bereich eine große Bedeutung hatte.

Nun, liebe Kinder, wollen wir uns aber tatsächlich einer für unser heutiges Leben noch wichtigeren Epoche zuwenden. In der Epoche der Vollendeten Globalisierung verloren die Nationalstaaten zunehmend an Bedeutung. Es kam zur Bildung dreier Staatenblöcke, die sich im ständigen Kriegszustand miteinander befanden. Allerdings handelte es sich nicht um einen realen Krieg, sondern um einen gnadenlosen Wirtschaftskrieg, der zwischen dem europäischen Block, dem asiatischen Block und dem amerikanischen Block ausbrach. Andere Nationalstaaten schafften es nicht, sich in dieses Blocksystem einzubringen. Entscheidende Impulse für den Ausbau der Vereinten Nationen zu einem mächtigen, den ganzen Planeten und damit für die damaligen Bewohnerinnen die ganze Welt umfassenden Staatssystem kamen vollgerichtig auch nicht aus einem der drei großen Handelsblöcke, sondern aus Afrika. Dies geschah allerdings erst gegen Mitte des 21. Jahrhunderts; darauf werden wir erst in der nächsten Unterrichtseinheit eingehen."

La'ra kannte das schon. Ihre Wohngruppe spottete bereits, daß sie vom vielen Lesen wohl demnächst eckige Augen bekommen werde. Sie hatte sich spaßeshalber einmal auf die Suche nach dem Ursprung dieses Sprichwortes gemacht und war dabei bei einem Artikel über Massenmedien im 20. Jahrhundert gelandet. Demzufolgen müssen die Bildschirme damals mehr dem geähnelt haben, was heute als Strahlentriebwerk das Kolonistenschiff dem Ziel entgegenbrachte. Ein schrecklicher Gedanke, die Ausgaben des Datenbackbones nur auf flimmernden, strahlenden Röhrenkanonen lesen zu können! Auch die ersten wirklich brauchbaren Bildschirme wurden wohl erst Anfang des 21. Jahrhunderts entwickelt. Ihre Augen richten sich auf das eine Seite des Klassenraumes einnehmende Natursystem. Mächtige grüne Pflanzen erhoben sich dort an einem einen ganzen Ring des Schiffes durchfließenden Bach. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie wirkliches draußen sich anfühlte, außerhalb der Nachbildung, die hier im Schiff überall zu finden waren. Sie träumte von Szenen aus dem 20. Jahrhundert, die sie im Datenbackbone gefunden hatte: Bis zum Horizont gehende Wälder, Lichtspiele von Sonnenstrahlen (nicht von 3000-Kelvin-Lampen), kleine gefiederte Tiere. Wenn sie den Kontext richtig verstanden hatte, handelte es sich um etwas, daß eine bestimmte Sorte von Getränk anpreisen sollte. Eine komische Angewohnheit der Leute vor 200 Jahren.

Sie schreckte auf, als ihr Name fiel. "Auch La'ra bitte ich, sich jetzt dem Material zu widmen. Bitte schlagt die Hefte auf und tragt einen Link auf 'geschichte strich 21 punkt 1' ein. Ihr findet dort drei Originaldokumente aus dem ersten Viertel des 21. Jahrhunderts sowie einige weitere Materialien über diese Zeit. Schaut euch die Sachen bitte jetzt an. Wenn ihr Fragen habt, können wir diese gerne klären, -- Kinder. Ich bin im Nebenraum."

Das "Kinder" war ihm wohl nicht abzugewöhnen. Es wäre sicher spannend, einmal nachzuforschen, ob Schule schon immer so langweilig gewesen war. La'ras heißer Tip war: Ja. Wenn sie einigen der alten Geschichten glauben konnte, war es früher sogar noch viel schlimmer gewesen. Sie holte ihr Heft und eine Cola und setzte sich in eine der Sitzgruppen. Hoffentlich würde nicht wieder dieser dämliche Olif meinen, mit ihr zusammen arbeiten wollen zu müssen. Sie hatte Glück: Niemand, der von ihr erklärt haben wollte, wie denn bitte in Link auf 'geschichte-strich-einundzwanzig-punkt-eins' einzutragen wäre, niemand, der sie in eine Debatte über die Archivübetragung der soundsovielten Erdolympiade verwickeln wollte, kein Olif. In Ruhe konnte sie sich den Texten widmen.

"Hallo Heft. Geschichte aufschlagen.

Nein, nicht die Geschichte. Ich meine: Geschichts-Unterricht. Aktuelles Ende suchen.

Neuen Abschnitt einfügen: '21. Jahrhundert'. Link auf 'geschichte-21.1' einfügen. Verbindung zum Datenbackbone. Link folgen. Ja."

Der hochauflösende Farbbildschirm ihres Heftes zeigte nun unter der Überschrift '21. Jahrhundert' die Titel weiterer Dokumente an.

'Originaldokument: Vertrag über Rechte in der kommerziellen Nutzung des Weltweiten Netzes'.

Das hatte La'ra schon mal vor ein paar Wochen gelesen, als sie für ein Referat in Datennutzung etwas über die Geschichte des Datenbackbones erzählen sollte. Diesen Text konnte sie also guten Gewissens übergehen.

'Originaldokument: Land unter in Bangladesh [BBC-Video]'

Aha, das war neu. Mußte wohl mit dem trotz der nach 1986 aufgekommenen Ökologiedoktrin stattgefundenen Klimawandel zu tun haben. Sieht ja ganz interessant aus.

'Originaldokument: 2034: Die erste Raumsiedlung [MultiMedia]'

Das war wohl eine Dokumentation über Alpha-3, die erste ständig bewohnte Raumsiedlung auf dem Mond. In der Liste folgten noch einige Zusammenfassungen.

'Zusammenfassung: Fortschritte der Informationstechnologie'

'Datenmaterial: Wirtschaftliche Entwicklung der drei Handelsblöcke'

'Zusammenfassung: Globaler Wandel und lokaler Zusammenbruch'

'Zusammenfassung: Nanostrukturtechnologien'

'Zusammenfassung: Der gespaltene Planet'

'Zusammenfassung: Die Entwicklung eines Menschenrechts: Ökologie'

'Zusammenfassung: Die Entwicklung eines Menschenrechts: Freie Information'

'Bibliothek: Geschichte/Die Zeit vor dem Aufbruch/Vollendete Glob...'

"Hallo Heft. Geb mir mal die 'Wirtschaftliche Entwicklung'."

Auf ihrem Bildschirm bekann nun ein kleiner Videofilm. Das ihr unbekannte, aber sattsam vertraute Bild der Erdkugel wurde in eine Karte projeziert. In der Ecke leuchtete ein Jahreszähler auf. In der anderen Ecke erschien eine Legende. 'Rot: ASEAN/APEC. Gelb: NAFTA/AmFree. Blau: EU/GEU. Grün: Blockfrei'. Anfangs war fast alles grün. Oberhalb von Afrika gab es einen großen dunkelblauen Flecken, in der gleichen Höhe etwas weiter im Westen einen gelben Flecken und im Osten einen roten Flecken. Mit der Zeit breitete sich der gelbe Fleck nach Süden aus. Aber bis zum Schluß des Videos gab es im Süden des Kontinents noch grüne Flecken. Der rote Fleck sprang auf ein paar Inseln über, schließlich auch auf 'Australien' und auf 'Neuseeland', zwei Inseln in der Nähe des Südpols. Etwa um 2006 herum zerbröckelten sowohl 'Rußland' als auch 'VR China'. Beide waren vorher noch grün. Jetzt wurden Teile von 'Rußland' blau (das blaue war bis an die Grenze herangekrochen), andere Teile (im Osten) wurden rot. Auch Teile des ehemaligen 'VR China' wurden rot. Andere blieben ebenso wie 'Indien' bis zum Schluß grün.

"Schon vor der Jahrtausendwende existierten die drei großen Handelsblöcke in rudimentärer Form. Danach expandierten sie sehr schnell. Innerhalb der Handesblöcke verloren die Ländergrenzen an Bedeutung, auch wenn es zwischen den einzelnen Regionen durchaus noch kulturelle Unterschiede gab. Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellte das Jahr 2011 dar, als sowohl Rußland als auch China, die beide bis dahin blockfreie Staaten gewesen waren, mit den inneren Unruhen nicht mehr klarkamen und auseinanderfielen. Teile des alten Rußlands schloßen sich der Großeuropäischen Union an, die bis zu diesem Zeitpunkt schon bis zur russischen Grenze vorgedrungen waren. Andere Teile wurden zu mehr oder weniger lose assozierten Mitgliedern des asiatischen Blockes."

La'ra bemerkte noch ein paar andere Effekte. An einigen Stellen wurden Teile des Landes auch blau, allerdings nicht 'EU/GEU'-Blau, sondern hellblau wie das Meer. Insbesondere am nördlichen Rand von Afrika war sie sich nicht sicher, ob diese Länder nun von der EU erfasst wurden, oder ob sie im Meer versanken. Bei dem Land neben Indien war das allerdings ganz klar.

Das Video wurde durch Kurven abgelöst (wieder in blau, rot, gelb und grün). Diese schwankten erst heftig; die grüne Kurve ging ziemlich zu Boden, das Schwanken der anderen drei Kurven wurde regelmäßiger.

"Die Wirtschaftskraft der Handlsblöcke nahm auf Kosten der blockfreien Staaten zu. Untereinander propagierten die Blöcke den 'freien Welthandel', den sie aber gleichzeitig durch hohe Einfuhrschranken an den Außengrenzen effektiv abblockten. Ökonominnen stellten fest, daß die wirtschaftlichen Gewichte seit etwa 2015 sehr gleichmäßig verteilt waren, so daß die Wirtschaftsdaten von nun an äußerst regelmäßige Muster aufwiesen. Eine bis heute ungelöste Frage ist es, warum die Blöcke es nicht schafften, eigenständig zu werden, sondern jeweils weiterhin auf wirtschaftliche Kontakte mit den anderen Blöcken -- in wechselnden Koalitionen -- angewiesen waren. Während es der Bevölkerung im Gebiet der drei großen Handelsblöcke verhältnismäßig gut ging, sank der Wohlstand in den blockfreien Staaten dramatisch. Diese wurden mehr und mehr ignoriert und sich selbst überlassen. Einen traurigen Höhepunkt stellt die Überschwemmung Bangladeshs dar. Dieses Land war nicht Mitglied in einem der drei großen Blöcke, und war nach dem klimatisch bedingten Verlust von fast der halben Landesfläche, die auch durch den Zugriff auf die neu entstehenden Gebiete im Golf von Bangladesh nicht ausgeglichen werden konnte, vollkommen auf sich selbst gestellt. Aufgrund von Konflikten zwischen der UN einerseits und zwei der drei Blöcke andererseits war auch die UN zu dieser Zeit beinahe handlungsunfähig."

La'ra hatte irgendwie keine Lust mehr, sich den Videofilm über Bangladesh noch vor dem Mittagessen anzusehen. Damals musste es ja schrecklich zugegangen sein. In den im offiziellen Geschichtsunterricht präsentierten Dokumenten wurden die schlimmsten Stellen 'aus Gründen der sittlichen Erziehung' weggelassen. Anderswo -- genauer gesagt, in Dokumenten, auf die sie eigentlich überhaupt keinen Zugriff haben durfte, wenn es nach dem Ratingsystem des Datenbackbones ging -- hatte sie bereits Hinweise auf schreckliche Kämpfe innerhalb der beiden zerfallenden Riesenreiche gesehen. Vielleicht war die Entwicklung der Nanostrukturtechnologien weniger schrecklich.

"Heft, jetzt würde ich gerne die Zusammenfassung Nanostrukturtechnologien sehen."

"Vorläufer der Nanostrukturtechnologie waren die Mikroelektronik, die Chemie sowie die makro-molekulare Biotechnologie oder Gentechnologie. Diese wurden alle im 20. Jahrhundert bis zur Anwendungsreife entwickelt. Die polymere Chemie war seit Mitte des 20. Jahrhunderts erforscht, nach der Entdeckung der DNA durch Watson und Cricks machte auch die Gentechnologie schnell Fortschritte. Anders als die Mikroelektronik mit dem großen PC-Boom der späten '80er des 20. Jahrhunderts erlebte sie ihre erste Blüte allerdings erst nach der Jahrtausendwende. Etwa um 2000 herum wurden diese verschiedenen Technologien immer öfter kombiniert und zusammengefaßt; erst zur Mikrosystemtechnologie, die die Mikroelektronik um mechanische und quantenmechanische Ansätze erweiterte, dann bis 2030 zur Nanostrukturtechnologie, die auch die biomolekularen Ansätze integrierte. Damit war die Grundlage für eine industrielle Umwälzung geschaffen, die der Informationsrevolution erst ihre volle Geltung zubrachte."

La'ra dachte an die riesigen Projektionswände im Raumschiff, an die Nahrungssynthesizer, an die Biocomputer, die es seit etwa 160 Jahren gab. Und natürlich an den Datenbackbone. An die zum Staubwischen eingesetzen künstlich hergestellten Lebewesen.

"Die frühen gentechnischen Versuche im Nahrungsmittelbereich stießen nicht nur auf große gesellschaftliche Akzeptanzprobleme, sondern auch auf viele Fehlschläge. Genannt werden muß der Monsantozwischenfall 2017, der dazu führte, daß hyperresistente Krankheitserreger in die Nahrungsmittelkette eindrangen und zur größten Epedemie des 21. Jahrhunderts führten. Oft wurde dieser Zwischenfall mit der Pest im Mittelalter verglichen. Schon vor der Mitte des 21. Jahrhunderts wurden zwar auch in der Nahrungsmittel- und Baumwollproduktion großflächig gentechnische Methoden angewandt; akzeptiert war allerdings einzig und allein AntiHIV, ein auf der Basis von genetischen Veränderungen hergestelltes Impfmittel gegen die damals verbreitete AIDS-Erkrankung. Wie so vieles, hatte auch dieses Impfmittel seine Ursprünge im 20. Jahrhundert: 1996 wurden gegen AIDS resistente Mutanten entdeckt."

Das mußte für heute reichen. La'ra freute sich auf das Essen in ihrer Wohngruppe.

"La'ra, Post für Dich"

Olif hatte sie zum Mittagessen eingeladen. Sie würde das ignorieren. Oder sollte sie eine schnippische Bemerkung zurückschicken. Der arme Junge ... Eine Methode, die Entscheidung hinauszuzögern, wäre es, noch einen der Texte zu lesen. Also gut:

"Hallo Heft. Ich würde mir gerne noch ... ähm ... 'Der gespaltene Planet' ansehen."

"Gegen Ende des 21. Jahrhunderts gelang der Bevölkerung der Erde die Entwicklung eines Bewußtseins für ihr planetarisches Dasein. Die Bedeutung der willkürlichen Ländergrenzen ging zurück, die Globale Gesellschaft wurde geschaffen. Dem vorausgegangen waren heftige Auseinandersetzungen zwischen konkurrienden Handelsblöcken, weltweite ökologische Katastrophen und die ersten Ansätze zum Großen Aufbruch. Dem vorausgegangen war auch die Befreiung des internationalen Datennetzes und daraus folgend das Recht auf freien Informationszugriff. Am Anfang des 21. Jahrhunderts hätte wohl niemand vermutet, daß diese großartige Leistung seinen Abschluß bilden würde. Damals war die Gesellschaft vielschichtig zersplittert in einzelne Untergruppen. Der Planet war geteilt: Die reichen Nordländer und die armen Südländer, die drei großen Blöcke, die multinationalen Konzerne, die quer zwischen den mehr als zweihundert Nationalstaaten standen -- das alles ließ nicht vermuten, daß so etwas wie eine alle unterschiedlichen Traditionen akzeptierenden globale Kultur jemals entstehen würde, -- eine Kultur, die nicht gleichbedeutend war mit der globalen Angleichung an die Handelsfreiheiten, sondern ..."

La'ra hatte genug von diesem pathetischen Gesalbadere. Wenn die textproduzierenden Einheiten des Datenbackbones einen schlechten Tag hatten, kam so etwas heraus; zusammengesampelt aus den Reden der Politiker der Globalen Gesellschaft. Sie kannte diese Texte. Gleich würde noch etwas über Männer und Frauen kommen, über unterschiedliche Lebensstile in der einen Kultur, und über die Ablösung des Parlamentarisch-Kapitalistischen Demokratismus durch den Gleichberechtigten Anarchistischen Pluralismus. Die Geschichte der Erde war spannend -- aber so fremd im Vergleich zur Einfachheit des Kolonistenschiffes. Wenn La'ra ehrlich war, dann war die Erde ihr fast ein bißchen unheimlich. Ganz ähnlich wie Olif.

ENDE

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