unzusammenhängende sätze (16.8.97)

und wieder war einem ein einfall gekommen, und wieder hatte er im entscheidenden moment kein papier dabei gehabt, keinen stift und auch kein sub etha notebook - der einfall wurde also nicht aufgeschrieben, vergessen, vergraben und dem gerümpel tausender von sinneswahrnehmungen, wie sie sich im laufe eines sonnigen sommerlichen nachmittages ganz von alleine einstellen und ergeben. in der ergebenheit, der tiefen, tief ergriffenen ergebenheit der sinneswahrnehmungen lag wohl auch die eigentliche essenz der nicht geschriebenen idee. doch zu spät!

einige tage später hatten die sinneswahrnehmungen ihre struktur soweit reorganisiert, daß nun der doch nicht ganz verlorene, der vergessenheit nur zum schein anheimgefallene einfall wieder in die vorderen bereiche des bewußtseinsstroms gespült wurde. da war er wieder. jetzt lagen auch papier und bleistift - besser noch: die tastatur eines elektronischen aufschreibesystems - bereit. der einfall konnte festgehalten werden, verstärkte sich durch die schleife der wahrnehmung des niederschreibens und wurde zu einem bleibenden bestandteil des kognitiven systems.

mehr noch: durch die verkettung einer gewissen menge glücklicher zufälle kam es ganz kontingent wiederum einige zeit später dazu, daß der einfall aus dem externalisierten wissensspeicher des ihn produziert habenden gehirns hinüberwandern konnte in bereiche, die anderen zugänglicher waren. der einfall wurde publiziert, gedruckt, vervielfältig, veröffentlicht, gelesen, wiedergedacht: fand resonanzen.

dieser idealfall eines einfalls fiel einigen leserinnen und lesern auf: das hatte dann intensives überdenken und gedankenproduzieren ihrerseits zur folge, ein wiederum fließender strom des bewußtseins. noch blieben diese neuerlichen ideen singulär und atomar, getrennt von den geschwistern, die von der gleichen uridee angestoßen worden waren. heimisch fühlten sich viele allerdings sogleich in der netzen und verknüpfungen der ideen. vielfältige verbindungen in den köpfen wurden eingegangen. nicht alle waren von dauerndem bestand, doch manche kognitive systeme strukturierten sich nun ernsthaft um.

diese einfallsfolgen waren jedoch noch deutlich steigerungsfähig. denn nun fing auch die soziale strukturierung der handlungen an, wirksam zu werden, verknüpfungen zwischen individuen zu weben, die - vom gleichen gedanken besessen - ihrerseits wiederum in unterschiedlichen konstallationen - kopplungen ihrer kognitiven systeme erreichten und diese so einfach erweiterten. wieder andere der neuen ideen taten es dem einfall von vorher gleich und fanden sich in schrift gewordenen diskursen wieder, setzen an, erneut, rekursiv und iterativ neues und altes zu erzeugen, elementarbausteine von produktionen zu werden, ohne jemals gewißheit und enden zu erlangen.

:in immer weiter ausreichende, weltumspannend vernetzte denksysteme, aus denen zeit und raum klare konturen herausbildeten, konturen als erste signale der noch schlummernden strukturen und institutionen, die in ihnen lagen und irgendwann geweckt werden würde. der einfall war ein glücklicher gewesen. er hatte zu komplexität des diskurses beigetragen, ihn angestachelt, entzündet, fortgereizt: und doch war: was logisch und folgerichtig erscheinen würde, von jetzt an gesehen, nichts weiter gewesen als ein lose verbundenes netz von sich anschliessenden zufällen. dem gedanken hat es nicht geschadet.


© 1997 Till Westermayer. Stand: 9.1.1999. Automatisch konvertiert durch html.exe. Kommentare, Beschwerden und Nachfragen bitte an Till We richten - Danke!